Lieber ein Sattel, der über die Mitte kippelt, als einer, der eine Brücke bildet.
Am besten weder ein kippelnder, noch ein brückenbildender Sattel - beides zeugt von sehr schlechter Passform.
Die übergroße Angst vieler Reiter vor der Brückenbildung ist aber auch nicht unbedingt berechtigt…
Ein Sattel, der über den Schwerpunkt kippelt, dessen Baum also zuviel Schwung für den Pferderücken hat, kann keine der Aufgaben, die so ein Sattel eben normalerweise hat, erfüllen:
Dadurch, daß er nur in einem kleinen Bereich Auflage findet, kann er die wichtigste Funktion, nämlich das Verteilen des Reitergewichts auf den gesamten tragfähigen Bereich des Pferderückens, nicht erfüllen. Ist der Unterschied zwischen dem Schwung in Rücken und Baum sehr groß, hat er sogar den gegenteiligen Effekt: er konzentriert das gesamte Gewicht auf den kleinen Bereich, in dem er aufliegt – und der sich auch noch bei jedem Schritt verschiebt!
Durch die kleine Auflage liegt der Sattel zudem instabil – nicht nur kippeln, sondern auch Rutschen und dadurch bedingt falsche Lage des Sattels sind vorprogrammiert. Um dies auszugleichen, wird dann häufig, insbesondere bei Sätteln mit Mehrpunkt- oder Hebelgurtungssystemen, auch noch viel zu fest gegurtet, um den Sattel wenigstens etwas zu stabilisieren…
Ein Sattel, der eine Brücke bildet, liegt dagegen nur in zwei kleinen Bereichen jeweils vorn und hinten auf – in der Mitte schwebt der Sattel sozusagen über dem Pferd, eben wie eine an beiden Seiten einer Schlucht befestigte Brücke. Genau wie beim kippelnden Sattel wird hier zunächst einmal Auflagefläche verschenkt – und zwar genau in dem Bereich, der den Großteil des Reitergewichts aufnehmen muß – und die Gewichtshilfen weiterleiten soll.
Das größte Problem an der Brückenbildung aber ist, daß sie vom Reiter nur schwer diagnostiziert werden kann. Einen kippelnden Sattel spürt auch der unsensibelste Reiter – er ist ständig in Bewegung, sitzt instabil, meistens rutscht der Sattel auch noch, und macht alles in allem eine ziemlich unstete Figur. Ein Sattel mit einer geringfügigen Brückenbildung sitzt dagegen meist bombenfest – er ist ja auch vorn und hinten gut fixiert und in der Mitte per Gurt festgezurrt. Oft schon haben sich gerade Reiter von rundlichen Kleinpferden gefreut, endlich einen Sattel gefunden zu haben, der mal nicht rutscht – und doch nur einen mit etwas zuwenig Schwung im Baum erwischt. Die Schädigungen im Rücken oder die Verspannungen und Fehlleistungen beim Reiten bemerkt man oft erst Wochen, Monate oder gar Jahre später. Sicher ist dies auch der Hauptgrund, warum die „Angst vor der Brücke“ so tief sitzt.
Eine etwas leichtere Auflage im mittleren bis hinteren Bereich des Sattels muß aber noch lange keine schädigende Brückenbildung bedeuten. Im Gegenteil: gerade kurz hinter dem Schwerpunkt braucht die Rückenmuskulatur etwas Luft, um überhaupt frei arbeiten zu können! Natürlich ist dieses Quentchen Luft etwas anderes, als eine klaffende Lücke im Schwerpunkt. Bei weich gepolsterten Dressur-, Spring- oder ähnlichen Sätteln mit gefüllten Kissen verschwindet dieser benötigte Raum zur Nutzung der Muskulatur vollständig im Polster und selbst bei ungepolsterten wie z.B. Westernsätteln, ist er für den Laien zumeist nicht zu ertasten. Ein erfahrener Sattler kann ihn aber durchaus beurteilen und wird ihn bei der Sattelanprobe immer mit einbeziehen! Auch moderne Messgeräte, die die Druckverteilung analysieren, zeichnen ihn oft mit auf.
Wenn also das Messbild am oder kurz hinter dem Schwerpunkt beim ungerittenen Pferd eine geringere Druckbelastung aufweist, heißt das noch lange nicht, daß der Sattel nicht passt oder gar eine Brücke bildet, wie viele Reiter, aber auch unerfahrene Sattelhändler oft glauben!
Relevant ist hier, wie der Sattel letztendlich beim Reiten liegt, wenn das Pferd den Rücken aufwölbt. Hier sollte die Druckverteilung (natürlich im Verhältnis zum Bewegungsmuster des Pferdes …) dann gleichmäßig sein. Dies sollte ein erfahrener Sattler (je nach Trainingszustand) bereits nach dem Vorreiten von wenigen Zirkeln erkennen können, der Reiter kann es daran spüren, ob das Pferd gerne den Rücken hergibt und auch eine Druckmessung in der Bewegung kann Anhaltspunkte liefern.
Würde man nun diesen Effekt völlig ignorieren, und den Sattel so wählen, daß er bereits auf „kaltem“ Rücken eine komplett gleichmäßige Druckverteilung hat, macht man es dem Pferd auf Dauer unnötig schwer, seinen Rücken einzusetzen – Schließlich muß es den kompletten Sattel inklusive Reitergewicht dazu aus dem Schwerpunkt drücken. Selbst, wenn es das nicht einfach nach einiger Zeit aufgibt, und im Rücken verkrampft, so wird der Sattel doch dadurch instabil und gerät aus dem Schwerpunkt. Gerade bei Pferden mit langem Rücken und viel Bewegung in der Rückenmuskulatur können auf Dauer Blockaden und Rückenschäden entstehen. |