Hauptsache, der Sattel passt dem Pferd!
Grundsätzlich eine sinnvolle Einstellung bei der Suche nach einem passenden Sattel und sicher lobenswert, die Gesundheit des Pferdes vor die Bequemlichkeit des eigenen Hinterteils zu stellen – aber ganz so einfach ist es leider nicht.
Denn die Wirkungen von Reiter zu Pferderücken und andersherum machen es unmöglich, die Passform fürs Pferd sauber von der Passform für den Reiter zu trennen.
Ein Beispiel: ein Pferd mit einem grundsätzlich unkompliziertem Rücken, langer schräger Schulter, aber auch langem tragfähigem Rücken. Hier kann gut ein langer Sattel angepasst werden, er nutzt die tragfähige Fläche des Rückens voll aus, liegt gleichmäßig auf, gibt sowohl Schulter als auch Rücken genug Platz für Bewegung und liegt im Schwerpunkt. Also: der optimale Sattel scheint schnell gefunden.
Nun kommt aber ein zierlicher Reiter dazu: sehr wahrscheinlich wird dieser lange Sattel ihn zu weit nach hinten setzen. Ergebnis:
- Der Reiter reitet „hinter seinem Pferd her“, gerät also schnell hinter die Bewegung
- Die Schwerpunktverlagerung nach hinten führt zu einer ungünstigen Gewichtsverteilung in Richtung des Rückenbereichs, der sich eigentlich frei aufwölben können soll
- Durch den nicht übereinstimmenden Schwerpunkt schiebt der korrekt sitzende Reiter diesen Sattel entweder nach vorn gegen die Schulter – oder zurrt den Gurt als Gegenmaßnahme so fest an, daß er Gurtzwang riskiert…
- Eventuell versucht man nun auch das Ganze zu retten, indem man den Schwerpunkt künstlich nach vorn verschiebt – nun stimmt zwar der Schwerpunkt, dafür verleitet der so geänderte Sattel den Reiter zum Spaltsitz, er muß nun ständig gegen seinen Sattel anreiten. Schafft er das, hat er sich wahrscheinlich einen Sitz angewöhnt, der es ihm einerseits schwer macht, auf einem gut passenden Sattel zu sitzen, sehr wahrscheinlich neigt er aber auch dazu, sich zu verkrampfen und überträgt dies auf sein Pferd. Ob aus einer solchen Haltung heraus dann eine präzise Hilfengebung möglich ist, ist eine Frage, die ebenfalls selten positiv zu beantworten ist.
Obwohl so ein Sattel scheinbar dem Pferd passt, kann er also Rückenprobleme auslösen oder verstärken, weil die Wechselwirkung mit dem Reiter nicht stimmt.
Mit ähnlichen Problemen haben natürlich auch große Reiter auf kurzen Pferden oder schwere Reiter auf sehr drahtigen Tieren zu kämpfen…
Und natürlich kann es auch einen Unterschied machen, ob man einen Sattel für einen routinierten Reiter mit gutem Gleichgewicht anpasst oder für einen Anfänger mit Sitzschwierigkeiten…
In jedem Fall gilt, daß ein Sattel, gegen den der Reiter ankämpfen muß, auch dem Pferd nicht hilfreich ist – denn wenn der Reiter verkrampft oder nicht sauber einwirken kann, hat dies mit Sicherheit irgendwann auch negative Auswirkungen aufs Pferd.
zum Weiterlesen:
Sattelmythos#1: Je größer die Auflagefläche, desto besser!
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