Ganz wichtig beim Sattelkauf: der Baum muß verstellbar sein!
In den letzten Jahren wurde beim Sattelkauf besonders ein Thema interessant: die Verstellbarkeit des Sattelbaumes, bzw. des Kopfeisens, um die Kammerweite anpassen zu können. Hersteller von Sätteln, deren Kopfeisen nur eingeschränkt oder gar nicht veränderbar sind, geraten immer mehr ins Abseits; solche, die schnellen und einfachen Kopfeisenwechsel oder gar das bequeme Verändern der Kammerweite mit dem Schraubenschlüssel zu Hause anbieten, werden immer beliebter.
Warum sollte nun so ein Baum verstellbar sein? Und, wenn das so wichtig ist, warum gibt es immer noch Sattlereien, wie auch große Hersteller, deren Sattelbäume sich nur sehr eingeschränkt weiten oder enger stellen lassen? Wer sollte darauf achten, daß sein Baum änderbar ist? Und für wen ist dieser Aspekt doch von eher untergeordneter Bedeutung?
„Kauf für dein junges Pferd bloß einen Sattel mit verstellbarem Kopfeisen, das Tier verändert sich ja noch!“
Nicht nur junge Pferde verändern ihre Rückenmuskulatur – jedes Pferd kann z.B. in einer Stehzeit abmuskeln, beim antrainieren aufmuskeln, oder seine Muskulatur bei weiterer Förderung, Reiter- oder Reitweisenwechsel und vielen anderen Gelegenheiten verändern. Eine Anpassung an die veränderte Muskulatur sollte aber nicht über das Kopfeisen erfolgen! Denn der passende Kopfeisenwinkel orientiert sich nicht an den Muskelpaketen, sondern an der Schulterwinkelung – und diese verändert hauptsächlich im frühen Wachstum des Pferdes und auch viel geringfügiger als die Muskulatur. Wird das Pferd 4-oder 5-jährig eingeritten, wird sich an der Schulterwinkelung nicht mehr viel ändern –wohl aber natürlich an der Muskulatur. Deshalb sollte auch beim jungen Pferd von Anfang an die passende Kopfeisengröße gewählt und dann das Sattelkissen über eine entsprechende Polsterung an die noch nicht vorhandene Muskulatur angepasst werden, anstatt, wie oft üblich, erstmal das Kopfeisen zu klein zu wählen und später zu weiten. Ein zu enges Kopfeisen liegt nämlich nicht mit dem ganzen Schenkel, sondern nur mit den Ortspitzen auf, was natürlich zu einer eher ungünstigen Druckverteilung führt.
Für ein junges Pferd ist eine Veränderung des Kopfeisens also hauptsächlich dann sinnvoll, wenn es früh eingeritten wird oder insgesamt spätreif wirkt und zu erwarten ist, daß sich nicht nur Muskulatur, sondern auch Skelett noch deutlich entwickeln. Bei insgesamt fertig entwickelten Pferden, bei denen die zu erwartenden Veränderungen hauptsächlich im Bereich der durch Training aufzubauenden Muskulatur stattfinden, sollte man von Anfang an den passenden Baum wählen und den Sattel durch Polstern an den Trainingszustand anpassen.
„Und wenn du mal ein anderes Pferd hast, kannst du den Sattel dann immer noch anpassen.“
Dies ist mit Sicherheit der wichtigere Grund, einen Sattel mit entsprechenden Anpassungsmöglichkeiten zu kaufen. Eine Anpassung nur über das Polstern stößt schnell an Ihre Grenzen, wenn der Sattel plötzlich auf ein Pferd von völlig anderem Grundtyp passen soll. Allerdings bedeutet ein verstellbares Kopfeisen noch lange nicht, daß ein Sattel auf jedes Pferd passend gemacht werden kann: insbesondere so wichtige Parameter wie Sattellänge oder der Schwung in der Längsachse des Baumes sind am fertigen Sattel kaum zu ändern, aber für die Passform oft entscheidend. Allerdings sollte der Reiter hier nicht resignieren: die Erfahrung zeigt, daß er sich immer wieder Pferde eines ganz ähnlichen Typs aussuchen wird, also hat er gute Chancen, daß sein Sattel auch auf das nächste Pferd passend gemacht werden könnte…
„Und dann kann man den ganz einfach zu Hause mal eben mit dem Schraubenschlüssel verstellen!“
Ein Sattelbaum, der von außen über ein Gelenk oder ein Schraubsystem verstellbar ist, ist eigentlich nur für Profis interessant, die sich weitgehend in der Sattelanpassung auskennen und den Sattel z.B. immer wieder für andere Trainingspferde verwenden müssen – gerade sie werden aber auch sehr schnell an die gemeinsame Schwachstelle dieser Systeme stoßen: Sie sind oft sehr verschleißanfällig und mit der Zeit steigt die Gefahr, daß eine solche Mechanik ermüdet und sich der Baum sozusagen „selbsttätig“ verstellt.
In der Hand von Laien, die bei jedem Rittigkeitsproblem erstmal aufs Geratewohl den Schraubenschlüssel zücken, sind solche Systeme oft wahres Gift für den Pferderücken.
Eine Alternative sind Systeme mit erleichtertem Kopfeisenwechsel. Dadurch, daß solche Kopfeisen herkömmlich am Stück gebaut sind, entfällt die Anfälligkeit der Mechanik, eine Anpassung an ein neues Trainingspferd ist aber fast genauso unkompliziert.
Eine Veränderung der Kammer ist also in der Regel nur interessant, wenn der Sattel auf ein anderes Pferd angepasst werden soll, die Anpassung an einen veränderten muskulären Zustand sollte über das Polster erfolgen.
Nicht verschweigen sollte man auch, daß Bäume, die nicht mechanisch oder thermisch verstellbar sind, oft robuster und weniger bruchanfällig sind, sowie mehr Reitergewicht schultern können, auch ein Verziehen durch hohe oder einseitige Belastungen (Schiefe von Pferd und Reiter, aufsteigen ohne Aufsteighilfe etc.) ist deutlich seltener. Deshalb sollte man sich durchaus überlegen, ob man in seinem speziellen Fall die Verstellbarkeit des Baumes benötigt, oder lieber zugunsten der Stabilität und weitgehenden Wartungsfreiheit auf diese Option verzichtet.
Egal für welchen Baumtyp man sich nun entscheidet: die Passform und Anpassbarkeit hängt von viel mehr Faktoren ab als der Verstellbarkeit der Kammerweite!
Zum Weiterlesen: ganzer Text als PDF
Tabelle: Verstellbarkeit von Sattelbaumtypen (PDF)
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